Project Description

Ein Garten in Vorpommern – Jagdschloss Quitzin

„Narren hasten, Kluge warten, Weise gehen in den Garten.“

Rabindranath Tagore (1861-1941) hat mit diesem Satz einige wesentliche Gesichtspunkte ausgedrückt, die „einen Garten ausmachen“:

  • Der Garten ist Ausdruck gestalterischen Willens von Menschen. Er ist Lebensraum, nicht Zusatz.

Generationen haben Gärten eingerichtet und gestaltet. Sie haben aus ihrer Zeit heraus, aus ihrem Lebensverständnis heraus Gärten zu ihrem Nutzen gepflanzt. Der Garten des alten Rittersitzes von Quitzin war – typisch für frühe Zeit – ein Nutzgarten für Kräuter und Nahrungsmittel. Das feste Haus in Quitzin, dessen altes Gewölbe aus dem 13. Jahrhundert stammt, war von einem Wassergraben umgeben. Dieser Graben existierte in Rudimenten (Teich im Süden des Hauses) bis in die Anfänge des 20. Jahrhunderts. Außerhalb des Grabens im östlichen Teil der Anlage erkennt man auf der schwedischen Matrikelkarte von 1696 den Nutzgarten.

Wechselnde Ansprüche, vor allen Dingen die Vorstellung des „erweiterten Wohn- und Herrschaftsraumes“ in die Natur hinein führten im 18. Jahrhundert zu einer barocken Überformung und Erweiterung des Gartens. Im Zuge der aufstrebenden Entwicklung der Familie v. Küssow – Erasmus Graf v. Küssow und seine Nachkommen wurden in den Reichsgrafenstand erhoben – kam es zu einem repräsentativen Umbau in eine barocke Gartenanlage mit großen Blickachsen nach Osten Richtung Grimmen und gen Süden in Verlängerung der Achsensymmetrie des Hauses in die Landschaft der Trebelniederung.

In gleicher Linie des Schlosses wurden rechts und links zwei kleine eingeschossige Kavaliershäuser an das Hauptgebäude angebaut, gen Osten wurde eine Orangerie errichtet und gen Westen entstand eine Gärtnerei. Auch die Mansardendächer des Schlosses und der Kavaliershäuser entstammen dieser Zeit.

Weitere Veränderungen erfuhr die so repräsentativ erweiterte Anlage im 19. Jahrhundert. Der Hofplatz wurde gänzlich in Form einer nach Westen geöffneten 3-seitigen Anlage – mit eigenem Gutshaus – neu aufgebaut. Eine Zufahrt führte nun von der Nordseite an der Kapelle vorbei auf das „Schloss“ zu, eine andere zum Wirtschaftshof. Von Carl August Peter Menzel wurde der Bau eines sogenannten Badehauses (1847) im Auftrag der letzten Gräfin Küssow errichtet. Menzel (1794-1853) wurde 1832 Bauinspektor der Universität Greifswald. Er war Schüler Schinkels. Nur zwei der von ihm geplanten Privatbauten wurden tatsächlich auch umgesetzt. Eines davon ist das Badehaus in Quitzin.

Das Besondere des Badehauses „ist ein kleines Badezimmer, dazu bestimmt, die ärztlich verordneten Bäder für Kranke aus dem Dorfe bereiten zu können.“ (zitiert nach der Baubeschreibung, veröffentlicht im „Jahrbuch der Baukunst und Bauwissenschaft“ von Menzel selbst).

Schon damals – also ab Mitte des 19. Jahrhunderts – war der Garten nicht nur für die Eigentümer des Gutes zum persönlichen Vergnügen da. Das preußische Messtischblatt von 1834/1835 weist noch eine regelmäßige, barocke Einteilung des Gartens auf, die allerdings den durchgreifenden Änderungen des 19. Jahrhunderts nicht standhält. Der Barockgarten wird mehr und mehr zu einem Landschaftspark im englischen Typus.

Bereits Ende des 19. Bzw. 20. Jahrhunderts wurden die Orangerie und wahrscheinlich auch das Badehaus im Auftrag von Waldemar Reimer abgerissen und der Teich hinter dem Haus als Rest des alten Burggrabens zugeschüttet. Es ist anzunehmen, dass diese Maßnahmen mit der Sorge um die Gesundheit der Kinder zusammenhängen.

Die seit 1824 im Mannesstamme erloschene Familie der Küssows (Erasmus Graf v. Küssow stirbt im Alter von 16 Jahren) wurde in der weiblichen Linie, der Familie Reimer, fortgesetzt. Waldemar Reimer heiratete 1881. In den folgenden Jahren sterben vier Kinder, fünf Töchter bleiben. Eine Zuspitzung erfährt die Situation der Familie, als um die Jahrhundertwende die Landwirtschaft große Sorgen macht. Schließlich werden die Güter Quitzin und Rolofshagen an Werner v. Veltheim 1908 verkauft.

Nachdem spätestens 1944 durch die Beschlagnahme des Schlosses und des Parks durch den Landrat des Kreises Grimmen für die Kinderlandverschickung – und tatsächlich die Umnutzung in ein Trainingslager der SS für die „letzte Reserve“ – stattfand, verwahrlosten die Anlagen immer mehr. Nach dem II. Weltkrieg wurde die große Rasenfläche im Norden des Hauses als Sportplatz für das Dorf verwendet und man führte Tiefbohrungen im Zuge der Nutzbarmachung von Erdöl im vorpommerschen Boden durch. 1971 / 1972 veränderte sich erneut die Nutzung des Schlosses: Die Zivilverteidigung baute es für Lagerzwecke um, man vergitterte die Fenster, tauschte das hohe Dach gegen ein Brettbinderdach mit Wellasbest aus, beseitigte allen Zierrat und reduzierte die Wohnmöglichkeiten der noch im Haus lebenden ehemaligen Flüchtlinge auf wenige Zimmer. Das östliche Kavaliershaus wurde Konsum-Verkaufsstelle.

In den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde der ehemalige Gutspark zu einer Forstfläche umgenutzt. Den Vorgaben gemäß bedurfte es des Parks nicht mehr, Nutzholz war die angestrebte Alternative. Dies entsprach der Entwicklung des Schlosses. Leider wurde auch die fast 200 Jahre alte Kastanienallee (Aesculus hippocastanum) geopfert, die – so zeigen die alten Bilder der Schnittstellen – kerngesund war.

Glücklicherweise wurde bei der Bepflanzung mit Lärchen (Larix decidua), Sitka-Fichten (Pikea sitchensis) und Schwarz-Erlen (Alnus glutinosa), außer den abgängigen Ulmen der alte Baumbestand ansonsten nicht geschädigt, was der schützenden Hand eines ehemaligen VdgB-Chefs vor Ort zu verdanken ist.

Nach der vorsichtigen Rodung dieser Pflanzungen, die noch nicht abgeschlossen ist, wandelt sich unter der prägenden Hand der Familie Rübcke v. Veltheim seit der sogenannten Wende die Gartenanlage wieder in einen Landschaftspark um, der der Öffentlichkeit zwischen Ostern und Oktober zugänglich gehalten wird. Als Enkel des letzten von den Nationalsozialisten enteigneten Eigentümers, Burghard v. Veltheim, ist es der Familie ein Anliegen – ganz im Sinne der Küssowschen Verwandtschaft – den „heilenden Weg durch einen Park“ für viele Menschen erfahrbar zu machen.

Eine neue Kastanienallee – auch zwei Esskastanien (Castanea sativa) gehören dazu – wurde an einer ebenfalls neuen mit Kopfsteinen gepflasterten, nördlich auf das Schloss zuführenden Straße gepflanzt. Die so aufgenommene alte Achse aus dem 17. Jahrhundert mündet in ein wieder angelegtes Rondell vor dem Haus. Buchenhecken (Fagus sylvatica) wurden gepflanzt, ein seit mindestens 80 Jahren nicht mehr zur Heckenform geschnittenes Rechteck aus Hainbuchen (Carpinus betulus) wieder zum Laubengang geformt, Wege wieder angelegt und Nachpflanzungen vorgenommen.

Besonderheiten sind hinter dem Schloss – in dem privat genutzten Teil des Parks – ein Riesen-Lebensbaum (thuja plicata) aus dem 19. Jahrhundert, der in seiner Größe im norddeutschen Raum einmalig ist, eine aus der selben Zeit stammende Lärche (Larix decidua), und im großen öffentlichen Teil die teils über 300-jährigen Sommer- und Winterlinden (Tilia platyphyllos, Tilia cordata), Blutbuchen (Fagus silvatica purpurea), von denen das älteste Exemplar ebenfalls über 300 Jahre alt ist. Auch eine Esskastanie (Castanea sativa), die in Gemeinschaft mit einem stattlichen Spitzahorn (Acer platanoides) lebt, lädt mit einer zwischen beiden „Partnern“ ruhenden Bank zum Verweilen ein. Stiel-Eichen (Quercus robur) aus dem 19. Jahrhundert und eine Rot-Eiche (Quercus rubra bzw. Quercus borealis) aus derselben Zeit prägen das Bild der Parkanlage.

Auch Schwarzkiefer (Pinus nigra) und Walnuss (Juglans regia) oder die über 150 Jahre alten Douglasien (Pseudotsuga menziesii bzw. Pseudotsuga taxifolia) sind sehenswert. Götterbaum (Alianthus glanulosa), neue Ginkgobäume (Ginkgo biloba L.) und ein Trompetenbaum (Caltalpa bignonioides), sowie Blutpflaume (Prunus cerasifera ‚Nigra‘), Robinien (Robinia pseudoacacia) und als Büsche Forsythien, Pfaffenhütchen und Flieder bestimmen das Bild.

  • Ein Garten ist Erholungsraum und er ist lehrreich nach innen, wie nach außen.

Wir betrachten unseren Park oder auch Garten, den man noch um einen kleinen Rosengarten mit Pavillon und um einen Kräutergarten ergänzen könnte, zwar als Ausdruck unserer gestalterischen Phantasie, aber immer auch als ständige Herausforderung in der Auseinandersetzung mit der natürlichen Ästhetik der Pflanzen in Einklang zu kommen. Die Wege durch den Garten sollen gleichermaßen spielerisch auch Wege in uns anbieten, ja in Momenten der Kontemplation, der inneren Einkehr aus der Wahrnehmung des Empfundenen zu uns selbst zurückführen.

Die Schönheit, die Ästhetik der sich in den letzten Jahrzehnten ändernden Anblicke und Reize macht für uns zusätzlich den Charme einer Gartenanlage aus. In jedem Fall aber ist eine Garten- oder Parkanlage nicht statisch, sie lässt sich nicht unendlich konservieren; sie ist eine Komposition des Lebens insbesondere derjenigen, die für sie verantwortlich sind. Und: Sie ist nicht ohne Geschichte zu verstehen, derer die in ihr gestaltend tätig sind.

Für den Park in Quitzin bedeutet dies: Wir leben mit unserem Park, wir gestalten diesen Park und freuen uns, wenn es Menschen gibt, die unseren Spuren und denen der Vergangenheit beim Besuch des Parks ein wenig nachzugehen bereit sind, um für sich selbst seelisch etwas zu gewinnen.

Burghard Rübcke v. Veltheim